Abdi Nageeye hat als erster Holländer den New York-Marathon gewonnen. Mit 2:07:39 setzte sich der 35-Jährige etwas überraschend gegen die Kenianer Evans Chebet und Albert Korir durch, die nach 2:07:45 beziehungsweise 2:08:00 im Ziel waren. Vierter wurde Olympiasieger und Titelverteidiger Tamirat Tola (Äthiopien) in 2:08:12. Den letzten europäischen Sieg beim New York-Marathon gab es 2008: Damals triumphierte die Britin Paula Radcliffe. Im Männerrennen gab es zuletzt 1996 einen Gewinner aus Europa, den Italiener Giacomo Leone.
Schnellste Frau war bei dem Marathon-Spektakel in New York die Kenianerin Sheila Chepkirui. Sie gewann in 2:24:35 vor ihrer Landsfrau Hellen Obiri, die als Titelverteidigerin angetreten war und nach 2:24:49 ins Ziel lief. Als Dritte machte Vivian Cheruiyot in 2:25:21 ein rein kenianisches Podium perfekt.
Traditionell gibt es beim New York-Marathon keine Tempomacher. Dies führte, wie oftmals in Vergangenheit, dazu, dass das Tempo lange Zeit sehr verhalten war. Bei kühlen Temperaturen von 6 bis 10 Grad Celsius und Sonne erreichte eine Gruppe von 13 Männern die Halbmarathon-Marke nach 65:33 Minuten (das war deutlich langsamer als die Kenianerin Ruth Chepngetich bei ihrem 2:09:56-Weltrekord vor wenigen Wochen in Chicago!).
Erst im Bereich der 26-km-Marke gab es einen ersten ernsthaften Vorstoß und eine Tempoverschärfung. Der zweimalige Boston-Sieger Evans Chebet setzte sich an die Spitze und riss die Führungsgruppe auseinander. Lediglich Tamirat Tola, Abdi Nageeye sowie die Kenianer Geoffrey Kamworor, Albert Korir und Wesley Kiptoo konnten folgen. Kurz vor Kilometer 30 fiel Kiptoo zurück und als Chebet kurz vor 35 km wiederum das Tempo anzog, konnten zunächst Korir und dann auch Tola nicht mehr folgen. Das spannende Ausscheidungsrennen setzte sich fort: Bei Kilometer 38 konnte der zweimalige New York-Sieger Kamworor nicht mehr Schritt halten. Im Zweikampf zwischen Abdi Nageeye und Evans Chebet wurde in der Folge offenbar etwas das Tempo verschleppt. Plötzlich tauchte Tamirat Tola im Hintergrund wieder auf und konnte den Abstand bis auf ungefähr sechs Sekunden verkürzen. Doch Chebet sah die Gefahr und legte wiederum zu. Nun war Tola endgültig geschlagen. Aber der Kenianer hatte vielleicht durch die mehrfachen Tempoverschärfungen zu viel Kraft verloren. Auf den letzten zwei Kilometern sah der in Somalia geborene Abdi Nageeye deutlich frischer aus. Als der Holländer dann wenige hundert Meter vor dem Ziel einen langen Spurt anzog, war Chebet geschlagen.
„Ich habe mir gedacht: träume ich oder gewinne ich hier wirklich New York“, sagte Abdi Nageeye, der 2021 bei Olympia in Sapporo (Japan) die Silbermedaille gewonnen hatte und dann zweimal in Rotterdam triumphierte (2022 und 2024). In diesem Frühjahr verbesserte er dort seine persönliche Bestzeit auf 2:04:45. Sein großes Ziel war dann der Olympia-Marathon in Paris, doch dort kam er nicht ins Ziel. „Die Olympischen Spiele waren eine große Enttäuschung für mich. Aber das hat mich angetrieben“, sagte Abdi Nageeye, der in New York zum größten Sieg seiner Karriere lief. „Ich wusste, wenn ich bei 35 oder 36 km noch vorne dabei bin, dann würde ich gewinnen – aber ich kann es trotzdem noch nicht glauben!“
Ganz ähnlich lief das Rennen der Frauen. Ohne Tempomacher war das Tempo der hochkarätig besetzten Spitzengruppe eher langsam. 20 Läuferinnen passierten die 10-km-Marke nach 35:24 Minuten, was auf eine Endzeit von 2:29:30 hindeutete. Sheila Chepkirui machte das Rennen dann ein wenig schneller und führte die Spitzengruppe nach 1:13:59 über die Halbmarathon-Marke und nach 1:27:55 über den 25-km-Punkt.
Bei 30 km (1:44:47/2:27:20-Tempo) waren noch zehn Läuferinnen in der ersten Gruppe, darunter auch die Schweizer Rekordlerin Fabienne Schlumpf, die am Ende einen starken fünften Platz belegte (2:26:31). In der Folge wurde es schneller und die Gruppe hatte sich bis 35 km halbiert. Die Olympia-Dritte Hellen Obiri, Sheila Chepkirui, Vivian Cheruiyot (alle Kenia), die Äthiopierin Senbere Teferi und die aus Kenia stammende Eunice Chumba (Bahrain) liefen an der Spitze. Teferi fiel als erste vor Kilometer 37 zurück, Chumba konnte kurz danach nicht mehr mithalten. Zwei Kilometer vor dem Ziel war schließlich auch Cheruiyot geschlagen. Im Zweikampf mit der starken Sheila Chepkirui, die sehr viel Führungsarbeit geleistet hatte, ging dann auf den letzten paar hundert Metern Hellen Obiri die Kraft aus. So lief die 33-jährige Chepkirui zum größten Sieg ihrer Karriere.
Ergebnisse, Männer:
- Abdi Nageeye NED 2:07:39
- Evans Chebet KEN 2:07:45
- Albert Korir KEN 2:08:00
- Tamirat Tola ETH 2:08:12
- Geoffrey Kamworor KEN 2:08:50
- Conner Mantz USA 2:09:00
- Clayton Young USA 2:09:21
- Abel Kipchumba KEN 2:10:39
Frauen:
- Sheila Chepkirui KEN 2:24:35
- Hellen Obiri KEN 2:24:49
- Vivian Cheruiyot KEN 2:25:21
- Eunice Chumba BRN 2:25:58
- Fabienne Schlumpf SUI 2:26:31
- Sara Vaughn USA 2:26:56
- Senbere Teferi ETH 2:27:14
- Jessica McClain USA 2:27:19
Text: Jörg Wenig / Race News Service
Foto: NN Running Team